Eigentlich sind die Mexikaner erzkatholisch, kann man sagen. Über 80% der Bevölkerung sind Katholiken und die Meisten leben ihren Glauben mit Leib und Seele. Die Basilika von Mexico-Stadt ist nach dem Vatikan der meistbesuchte Marienwallfahrtsort der Welt. Tatsächlich steht die Jungfrau im Mittelpunkt des mexikanischen katholischen Glaubens. Nur heißt sie hier nicht Maria sondern Guadalupe. Die „virgencita“ (das Jungfräulein) steht über allem anderen und der Glaube an sie reicht durch alle Schichten. Ihr Bildnis ist allgegenwärtig. Man findet sie sowohl in Kirchen, am Arbeitsplatz, oder auf der Lederjacke eines rockigen Motorradfahrers, als auch in sämtlichen Fortbewegungsmitteln und privaten Wohnungen. Ja, kaum eine mexikanische Familie hat keinen bunten Altar in irgendeiner Ecke des Hauses, der mit Kerzen, Blumen und bunten Bildern die „virgencita“ ehrt. Natürlich ist der katholische Glaube ein Vermächtnis der spanischen Kolonialzeit. Darum kann man vielerorts eine Vermischung der katholischen Feste und Bräuche mit denen aus prähispanischer Zeit erkennen. Zum Beispiel der kürzlich zu Ende gegangene Karneval wird mancherorts ausgiebig gefeiert. 

Auch in Mexiko geschieht dies mit Verkleidungen und Umzügen, jedoch weisen die Kostüme oft indigene Muster und Federn auf. Die Verspottung, die während des Karnevals stattfindet, galt ursprünglich oft den spanischen Kolonialherren und Großgrundbesitzern. Deshalb tragen die Tänzer in Tlaxcala, die nach dem aztekischen Gott huehuetéotl „huehues“ genannt werden, Masken, die die weißen Gesichter der Kolonialherren darstellen. So sieht man, dass die Karnevals-Feierlichkeiten nicht so entfernt von den unseren sind und dennoch ihre ganz eigene Interpretation haben. Wie anfangs erwähnt sind viele Mexikaner mit Leib und Seele Katholiken, was impliziert, dass sie bereit sind für ihren Glauben große Opfer zu bringen. Am 12.12 sieht man Millionen von Mexikanern zum Gedenken an die Jungfrau nach Mexiko- Stadt pilgern. Sie nehmen dafür tagelange, gar wochenlange Fußmärsche auf sich, tragen zum Teil schwere Kreuze auf dem Rücken oder legen Wegstrecken auf Knien zurück.

Auch an Ostern reisen viele Mexikaner zu den bekanntesten Zeremonie-Stätten, um an den Gedenken für Jesu Christi teil zu nehmen. Eine der Hochburgen der Semana Santa (Ostern) ist Taxco, die Heimat unserer Kunsthandwerker. Taxco gilt als streng katholisch und zur Semana Santa füllt sich das Städtchen mit Gläubigen, die kommen, um an diversen Umzügen teil zu haben. Diese Umzüge stellen das Leiden Christi dar, auf seinem Weg zur Kreuzigung. Viele „Taxquenos“ nehmen an den Zügen aktiv Teil und leiden, so wie Christi es tat. Sie peitschen sich selbst auf den Rücken bis er blutet, laufen unter schwerer Last und in Ketten gelegt oder bekommen schweres, dorniges Holz auf die Schultern geschnallt. Symbolisch werden verschiedene Szenen des Leidens Christi dargestellt. Die Tradition ist sehr in der Gesellschaft verwurzelt. Manch einem mag dieses selbst zugefügte Leid befremdlich erscheinen, doch der Glaube an Gott ist groß und gibt vielen Menschen Halt und Erfüllung. Selbstverständlich haben wir von pakilia größten Respekt für diesen persönlichen Glauben der Menschen, der sie stützt und ihnen Zuversicht gibt.

Aber, die Geschichte der katholischen Kirche in Mexiko ist auch ein kontroverses Thema in der Gesellschaft. Deshalb möchten wir einem jungen Mexikaner aus Taxco die Chance geben die Rolle der katholischen Kirche als Instanz, fern des persönlichen Glaubens, kritisch zu beleuchten. In dem folgenden Interview möchten wir eine kritische Stimme aus Mexiko zu Wort kommen lassen. Sergio Manuel Lugo hinterfragt in dem folgenden Interview die Institution Kirche und ihre Instrumentalisierung zum Machterhalt in der Geschichte Mexikos. Er ist ein junger Taxqueño mit Leidenschaft für sein Volk und Vaterland, sowie das prähispanische Erbe. Er hat sich zur Aufgabe gemacht politische und soziale Missstände in Mexiko und Taxco anzuprangern und ist in der politischen, linken Opposition aktiv, was man oft aus seiner Meinung herauslesen kann, wenn es zum Beispiel um die Privatisierung des Erdöls geht. Das folgende Interview spiegelt eine ganz persönliche Meinung wieder, welche keinesfalls von allen geteilt werden muss. Jedoch werden Probleme thematisiert, die in Mexiko von großer Relevanz für die Bevölkerung sind.


Sergio, warum denkst du, dass der große Einfluss der katholischen Kirche auf die Menschen ein Problem sein könnte und was haben Kirche und Politik in Mexiko gemein?


Das Problem der katholischen Kirche in der mexikanischen Gesellschaft führt bis in die Geschichte zurück: Als die Spanier kamen, brachten sie ihre Religion mit sich und zwangen sie den eingeborenen Menschen auf, mit Schwertern und Kreuzen. Buchstäblich wurden unsere „teocalis“ - Pyramiden - zerstört und darauf die Kirchen errichtet. Die Pyramide von Cholula in Puebla ist ein gutes Beispiel dessen. Dies spiegelt wieder, dass die Spanier der indigenen Bevölkerung auf diese Weise die katholische Religion anstatt ihrer bisherigen Weltanschauung aufzwang. Dem folgend wurden viele indigene Frauen von den Spaniern vergewaltigt. Es wurden Kinder geboren, die keinen Vater hatten, die eine Mischung der Rassen und nicht anerkannt waren. All jene waren „hijos de la chingada“, wie es der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz ausdrückt; Kinder einer kollektiven Vergewaltigung. Aus dieser Situation wurde das mexikanische Volk geboren, ohne Identität und deren einziger Schutz der des Priesters und der seines Gottes und seiner Heiligen war. Als gemeinsamen, kollektiven Vater und Leitbild wählte man Jesus Christus und als Mutter die Jungfrau Guadalupe.


Als die Spanier merkten, dass die Indigenen generell sehr spirituell waren, insbesondere im Zusammenhang mit der Natur, begannen sie die jüdisch-christliche Religion mit den Glaubensrichtungen der Indigenen zu mischen. Sie gaben deren Götter und heiliger Feste eine Bedeutung in der katholischen Religion, was zu einer katholischen Interpretation der indigenen Kulte führte. Daraus entstand der religiöse Synkretismus, den wir heute in Mexiko erleben. Außerdem brachten die Spanier ein neues politisches und ökonomisches System mit sich, genannt „ la hacienda“, welches eine Art mexikanischer Feudalismus war. Wenige Menschen spanischer Abstammung besaßen viel Land, auf dem die Übrigen in einem sklavenhaften Dasein arbeiten mussten. Dieses rassistische System diskriminierte die Indigenen aufgrund von Hautfarbe, Sprache und weil sie aus Sicht der Spanier unzivilisiert waren. Dies alles geschah mit Zustimmung der katholischen Kirche, welche den Indigenen versprach, dass sie in diesem Leben leiden müssten, denn dies sei der Wille Gottes, aber dass sie im nächsten Leben, an der Seite von Jesus, glücklich sein würden. Die katholische Kirche verlangte von den Leuten konform zu sein und das System nicht zu hinterfragen, was sich bis in die heutige Zeit auswirkt. Zu Zeiten der Unabhängigkeitsbewegung Mexikos, wollte der hohe Klerus, bestehend aus Spaniern, die Unabhängigkeit verhindern. Der niedrige Klerus, bestehend aus Mestizen unterstütze die Bewegung, denn auch er war die überprivilegierten Spanier leid. Man sieht, die Kirche war seit jeher ein Machtinstrument in der mexikanischen Gesellschaft.


Erst unter Benito Juárez, um 1860, wurde die Säkularisierung, die Saat und Kirche trennte, um einen Machtmissbrauch und Manipulation der Menschen zu verhindern, eingeleitet. Unter ihm und den Liberalen wurde Mexiko auch zur föderalen Republik erklärt, was die Konservativen, unterstützt von der katholischen Kirche, verhindern wollten. Sie optierten für ein zentralistisches und kirchlich paternalistisches System, in der Hand von ein paar wenigen Machthabern. Von da an verlor die katholische Kirche an Macht, Privilegien und materiellem Reichtum, welche sie kurze Zeit später unter Diktator Porfirio Díaz zurück erhalten sollte. Gemeinsam mit der katholischen Kirche wurden Indigene verfolgt und ermordet, um Aufstände zu verhindern. Die mexikanische Revolution 1910 galt laut dem Revolutionär Ricardo Flores Magón des Umsturzes der „Santísima trinidad“ - der heiligen Dreifaltigkeit - unter welcher er den Klerus, die Regierung und das Kapital verstand.


Als 1917 die neue Verfassung entstand, in der die Bildung als weltlich, kostenlos und verpflichtend definiert wurde, mit wissenschaftlichen Inhalten, frei von religiösen Botschaften, erhob sich die katholische Kirche mit Waffen gegen die neue Staatsmacht. Doch darauf folgte eine sozialistische Regierung, die, unter anderem, Bildung in ländliche Regionen und zu den Indigenen brachte. Als Antwort darauf wurde eine neue konservative Partei, die PAN, gegründet, die sehr kirchennah ist und in jüngster Zeit von 2000 bis 2012 an der Macht war. Aktuell zeigt sich die politische Parteinahme der katholischen Kirche, indem sie sich gegen linke und progressive Politiker stellt, um zum Beispiel die Legalisierung der Abtreibung, sowie die Ehe gleichgeschlechtlicher Partner zu verhindern.


Selbstverständlich gibt es Ausnahmen von Personen in der katholischen Kirche, die viel Menschlichkeit beweisen und für Gerechtigkeit und die Menschenrechte eintreten, dennoch braucht es dafür meiner Meinung nach keine Verbreitung einer religiösen Botschaft. Zusammenfassend kann ich sagen, dass die katholische Kirche sich in der Geschichte Mexikos gegen die Entwicklung der Ärmsten gestellt hat, welche die Mehrheit der Gesellschaft darstellen. Sie war gegen ihre Bildung und begünstigte die regierenden Machthaber und insbesondere die Reichen. Für mich hat die katholische Kirche nichts Gutes in Mexiko erbracht. Auch im aktuellen Konflikt mit den verschwundenen Studenten von Ayozinapa hat sie nicht protestiert. Genauso wenig, wie sie die Privatisierung des Erdöls und des Wassers oder die Korruption des aktuellen Präsidenten Peña Nieto oder seine Unterwürfigkeit unter die Regierung der USA oder den stark neo-liberalen Kurs beklagte. Dies zeigt mir persönlich, dass die Kirche immer noch auf Seiten der Reichen, sprich der Machthaber ist.

Ostern ist in Mexiko einer der wichtigsten Feiertage.. Aus unseren Erfahrungen haben wir interessante Beobachtungen sammeln können, die wir alle für Euch gesammelt haben. Hier stellen wir Euch wichtige Gedenkstätte, Traditionen und Symbole vor. Entdeckt mit uns zusammen die mexikanischen Ostertraditionen.